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EU-Verordnung für in-vitro Diagnostika – Labordiagnostik unter Druck
Dipl.-Biol. Wolfgang Mayer
 
Seit dem 26. Mai 2022 gilt die neue EU-Verordnung für in-vitro Diagnostika (IVDR), die bereits 2017 in Kraft gesetzt, aber durch eine Übergangsfrist auf diesen Termin verschoben wurde. Das Ziel war, die Sicherheit von Diagnostikprodukten für Patienten und Anwender in der EU zu erhöhen. Diese Verordnung betrifft besonders auch alle labordiagnostischen Untersuchungen, die in der EU angeboten werden.
 
Für alle Hersteller von in-vitro Diagnostik bedeutet dies eine immense Herausforderung. Im Gegensatz zu bisher wird eine sehr umfangreiche Leistungsbewertung für die Zulassung gefordert, die den Aufwand und die Kosten für einen Test vervielfacht. Der Anteil an Diagnostikprodukten, die nun von den Herstellern unter Hinzuziehung einer benannten Stelle zugelassen werden müssen, steigt zudem von bisher 8 % auf ca. 80 %. Ein großes Problem ist die geringe Anzahl der verfügbaren benannten Stellen in Europa, derzeit existieren nur sechs Institutionen. Ebenso sind viele Regelungen der Verordnung noch unklar, erläuternde Guidelines dazu fehlen bis heute, an vielen Punkten besteht eine Rechtsunsicherheit. Hersteller werden deshalb zukünftig etliche Produkte vom Markt nehmen, anstatt diese unter hohen Kosten erneut zuzulassen.
 
Für die Laboratorien selbst werden neben steigenden Materialkosten bei kommerziellen Kits die Vorschriften vor allem für selbst entwickelte Testverfahren massiv verschärft. Solche Verfahren werden bisher üblicherweise vor allem in den Bereichen Genetik, Molekularbiologie, Immunologie und Komplementärmedizin eingesetzt. Die zukünftig sehr restriktiven IVDR- Regularien für "In-House-Testverfahren" werden zu einer Verringerung des diagnostischen Spektrums vor allem in nicht-industriellen Randbereichen der Labormedizin führen, z. B. für seltene genetische Erkrankungen, Komplementärmedizin oder Umweltmedizin.
 
Die sich abzeichnende Gefährdung der Versorgungssicherheit bei Diagnostik durch die IVDR-Einführung im Mai hat nun in wesentlichen Teilen zu einer weiteren Verlängerung der Übergangsfristen bis 2024 oder 2028 geführt, ohne dass an der Grundstruktur der Verordnung Änderungen vorgenommen wurden. Es ist also in den nächsten Jahren in der Labormedizin mit deutlich mehr Bürokratie, höheren Kosten, weniger Innovation, einer Reduktion von derzeit bestehenden diagnostischen Möglichkeiten sowie einer weiteren Konsolidierung in Richtung Großindustrie zu rechnen.
 
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