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COVID-19-Impfstoffe und das Problem der Anaphylaxie: PEG und weitere Zusatzstoffe?
Sie ebnet den Weg aus der Pandemie: die Corona-Schutzimpfung. Die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 stehen in Deutschland seit Ende letzten Jahres bereit.
Um die Pandemie in den Griff zu bekommen, ist nach Einschätzung von Experten der Weltgesundheitsorganisation weltweit eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent notwendig. In Deutschland liegt die Impfbereitschaft laut einer kürzlich durchgeführten Befragung bei rund 59 Prozent (1). In einer noch bis Juni laufenden, großangelegten „Gutenberg COVID-19 Studie“ der Universität Mainz kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Impfbereitschaft sogar in den vergangenen zwei Monaten deutlich zugenommen hat – nämlich auf etwa 85 Prozent. Diese Untersuchung basiert auf Antworten und Daten von knapp 5.500 Personen zwischen 44 und 84 Jahren.
 
Doch steht die Bevölkerung den zugelassenen Impfstoffen nicht vorbehaltlos gegenüber. Oft wird mangelndes Vertrauen in die Sicherheit und Wirksamkeit der in Rekordzeit entwickelten Impfstoffe aufgeführt. Aber auch die Angst vor Spätfolgen und schweren Nebenwirkungen sind Gründe für die Zurückhaltung beim Impfen.
 
Nach bisherigen Erfahrungen wird den mRNA-Impfstoffen der Firmen BioNTech/Pfizer und Moderna eine gute Verträglichkeit bescheinigt – kommen sie doch im Gegensatz zu gängigen Impfstoffen mit weitaus weniger Zusatzstoffen wie beispielsweise Impfverstärkern, Stabilisatoren oder Konservierungsmittelnl aus. Auch enthalten sie keine allergieinduzierenden Komponenten wie Gelatine, Ovalbumin oder andere Hühnereiproteine, Kuhmilchproteine, Thiomersal, Aluminium, Phenoxyethanol oder Formaldehyd. Reste antimikrobieller Substanzen wie Neomycin oder Substanzen wie Latex, Hefen und Dextran werden ebenfalls nicht zugesetzt. Die Rate an allergischen Reaktionen sollte demnach weit unter der von konventionellen Impfstoffen liegen. Doch trotz weniger allergieauslösender Substanzen kommt es bei den neuentwickelten Impfstoffen dennoch zu schweren systemischen Reaktionen. Nach aktuellen Zahlen der US-Gesundheitsbehörde CDC tritt eine Anaphylaxie mit einer Rate von 11,1 pro einer Million verimpfter Dosen des Herstellers BioNTech/Pfizer auf. Die Verwendung von Zusatzstoffen gerät dabei als Verursacher der Anaphylaxien in den Fokus.
 
Polyethylenglykol: Inhaltsstoff der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna
 
Die mRNA-Impfstoffe kodieren für ein optimiertes SARS-CoV-2-Spike-Protein, wobei die mRNA-Moleküle in einer Lipid-Nanopartikel-Formulierung integriert sind. Vermutlicher Auslöser anaphylaktischer Reaktionen der mRNA-Impfstoffe ist der Zusatzstoff Polyethylenglycol, kurz PEG, mit dem die Nanopartikel versetzt sind. Dabei handelt es sich um eine Gruppe linearer oder verzweigter Polymere mit sich wiederholenden Ethylenoxid-Untereinheiten, die sich je nach Anzahl der Untereinheiten in ihren Molekulargewichten unterscheiden.
 
PEG ist ein pharmazeutischer Hilfsstoff mit geringer Toxizität, der ubiquitär in vielen Medikamenten, aber auch zahlreichen Kosmetikprodukten wie z. B. in Lotionen, Cremes, Sonnenschutzmitteln, Deodorants oder Zahnpasta Anwendung findet. Auch in handelsüblichen Antihistaminika (Cetirizin®, Telfast®, Atarax® und Xusal®), Kortikosteroiden oder als Grundlage für Gelatine-Kapseln kommt PEG unter der Bezeichnung Macrogol zum Einsatz.
 
Der zu einer Anaphylaxie führende Pathomechanismus ist bislang noch ungeklärt. Eine IgE-vermittelte Reaktion ist denkbar, doch lässt sich dies aufgrund fehlender Testsysteme für den Nachweis spezifischer IgE-Antikörper bislang nicht beweisen. In der Diskussion steht zusätzlich eine nicht-IgE-vermittelte, pseudoallergische Reaktion, eine sogenannte CARPA (Complement Activation-Related Pseudoallergy) mit präexistierenden PEG-IgM- und/oder -IgG-Antikörpern und einhergehender Komplementaktivierung, welche zur Aktivierung und Degranulation der Mastzellen führen. Da PEGs mittlerweile in vielen Produkten des täglichen Bedarfs verwendet werden, ist es naheliegend, dass in der Bevölkerung gehäuft Immunantworten mit Bildung von IgG- bzw. IgM-Antikörpern auf PEG vorkommen (2). Diese vorbestehenden PEG-Antikörper können dann bei Patienten, die mit PEGylierten Medikamenten behandelt werden, schwere Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen (3) und das bereits bei Erstkontakt mit dem Allergen.
Für eine direkte, IgE-unabhängige Wirkung der PEGs auf Mastzellen gibt es hingegen bislang keine Hinweise.(4)(5)
 
Tromethamin/Trometamol: Inhaltsstoff des mRNA-Impfstoffs von Moderna
 
Zusätzlich und im Gegensatz zum Impfstoff der Firma BioNTech/Pfizer enthält der mRNA-Impfstoff des Herstellers Moderna Tromethamin, auch Trometamol genannt. Tromethamin ist ein organisches Amin, das in verschiedenen Medikamenten zur topischen, enteralen oder parenteralen Verabreichung und auch in kosmetischen Produkten als Emulgator verwendet wird. Es wurden Kontaktsensibilisierungen und Allergien gegen Tromethamin beschrieben und auch Anaphylaxien bei Verwendung als Hilfsstoff in jodierten Röntgenkontrastmitteln und Kontrastmitteln auf Gadoliniumbasis.
 
Polysorbat 80: Inhaltsstoff des Vektor-Impfstoffs von AstraZeneca
 
Ein weiteres unter Verdacht stehendes Agens ist Polysorbat 80, das auch unter der Bezeichnung Tween 80 bekannt ist. Dieses findet in dem Vektorimpfstoff der Firma AstraZeneca seine Anwendung. Polysorbat 80 ist strukturell sehr ähnlich aufgebaut wie Polyethylenglykol, so dass es möglicherweise zu Kreuzreaktionen kommen kann. Und auch Polysorbat 80 findet breite Anwendung wie u. a. als Emulgator (E433) beispielsweise in eingelegten Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Eiscreme und in einigen wichtigen Arzneimitteln (u. a. Biologika).
 
Weitere Triggerfaktoren einer Anaphylaxie: Mastzellerkrankungen
 
Eine weitere mögliche Anaphylaxie-Ursache, bei der der verabreichte Impfstoff eine untergeordnete Rolle spielt, könnte auch an einer generellen Hyperreaktivität der Mastzellen liegen. Diese findet sich beispielweise bei Patienten mit einer systemischen Mastozytose oder mit einem Mastzellaktivierungssyndrom (5). Ein möglicher Triggerfaktor, der die bereits voraktivierten Mastzellen veranlasst, noch weitaus größere Mengen an Botenstoffen wie Histamin, proinflammatorische Zytokine, Prostaglandine und Leukotriene freizusetzen, könnten die Lipidnanopartikel der mRNA-Impfstoffe selbst sein. Unabhängig von ihrer PEGylierung haben sie das Potenzial, Komplement unspezifisch zu aktivieren. Durch Bindung an die für sie spezifischen Rezeptoren auf Mastzellen induzieren die Komplementprodukte C3a, C4a und C5a eine massive Degranulation der Mastzellen, die letztlich in einen anaphylaktischen Schock münden kann.
 
Diagnostische Möglichkeiten im Vorfeld einer Impfung
 
In der EU besteht (im Gegensatz zu Großbritannien) bezüglich der SARS-CoV-2-Impfung keine Kontraindikation für Allergiker bzw. für Menschen mit Anaphylaxien in der Vorgeschichte. Das heißt, auch Patienten mit schweren allergischen Reaktionen oder Asthmatiker können geimpft werden, so die Einschätzung der deutschen allergologischen Fachgesellschaften. Vorsicht ist aber geboten bei vorbekannten Allergien gegen die allergieauslösenden Hilfsstoffe PEG, Polysorbat und Tromethamin. Insbesondere dieser Patientengruppe wird angeraten, in Absprache mit den behandelnden Ärzten vor Verimpfung antiallergische Medikamente einzunehmen. Außerdem sollten sie nur unter Aufsicht von Ärzten mit Erfahrung in der Behandlung anaphylaktischer Reaktionen geimpft werden.
 
1.Impfstoffzusatz PEG (FlowCast/BAT)
Mit dem Basophilenaktivierungstest (BAT) lässt sich schon im Vorfeld einer Impfung eine Allergie gegen Polyethylenglykol identifizieren. Dabei handelt es sich um ein CE-zertifiziertes, durchflusszytometrisches Testverfahren, mit dem eine in-vitro-Analyse und Quantifizierung von allergen-induzierten basophilen Granulozyten möglich ist. Bereits seit Jahren hat sich dieser Test bei der Identifizierung von IgE-vermittelten Soforttypallergien und pseudoallergischen Reaktionen bewährt. Getestet werden kann nicht nur der Zusatzstoff PEG-2000 des BioNTech/Pfizer-Impfstoffes (Anforderung siehe Leit- bzw. Allergiebogen), sondern auch das im Moderna-Impfstoff verwandte DMG-PEG-2000 (Anforderung bitte im Feld „zusätzliche Untersuchungen“).
 
2. Weitere Analysemethoden für Impfstoffzusätze sind in der Entwicklung
Die Testung auf Polysorbat 80 wird in naher Zukunft möglich sein, für Tromethamin ist eine Analytik bisher noch nicht in Sicht.
 
3. Diagnosemöglichkeit bei Mastozytose und Mastzellaktivierungssyndrom
Zur Abklärung einer Mastozytose stehen die Bestimmung der Serum-Tryptase und die Ausscheidung des stabilen Histaminmetaboliten N-Methylhistamin im Urin als nicht-invasive laborchemische Parameter routinemäßig zur Verfügung. Bestätigung findet die Diagnose durch den Nachweis einer KIT D816 Punktmutation und dem histologischen Nachweis eines Mastzellinfiltraten im Knochenmark oder in anderen extrakutanen Organen. Zum Ausschluss eines Mastzellaktivierungssyndroms finden Sie auf dem Leitbogen bzw. Allergiebogen ein Gesamtprofil, das aus Gesamt-Histamin, Serum-Tryptase, Cysteinyl-Leukotrien und Chromogranin A besteht.
 
Literatur:
(1) https://de.statista.com/statistik
(2) Caloguire G et al., J Allergy Clin Immunol Pract. 2019
(3) Klimek LJM et al., EAACI-ARIA Position Paper. 2020
(4) Wenande E et al., Clin.Exp Allergy. 2016
(5) Cabanillas B et al., Authorea. Dez. 2020.
 
 
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