Lab4more Top Grafik
Über uns   |   Impressum   |   Datenschutz
Führt das Zuckermolekül der Zecke zu einer verzögerten Fleischallergie?
Ein Zeckenbiss birgt nicht nur die Gefahr für Erkrankungen wie z. B. Borreliose oder FSME, sondern kann auch Ursache einer lebenslangen Allergie gegen rotes Fleisch sein. Die ersten bekannten Fälle der durch einen Zeckenbiss der Spezies „Amblyomma americanum“ ausgelösten Fleischallergie stammen aus dem Südwesten der USA. Seitdem weitet sich die Zecke nach Osten aus. Weitere Fälle sind aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Spanien, Japan, Korea und Australien bekannt. Mittlerweile stehen auch „Ixodes holocyclus“ (Australien) und die in Europa ansässige Zeckenspezies „ Ixodes ricinus“ in Verdacht.
 
Noch sind einige Fragen unbeantwortet. Fakt ist aber, dass über den Speichel dieser Zeckenarten ein bestimmtes Zuckermolekül in die menschliche Blutbahn gelangt: Galaktose-alpha-1,3-Galaktose (Alpha-Gal). Während dieses Oligosaccharid bei nicht-primaten Säugetieren weitverbreitet ist, fehlt es Altweltaffen und damit dem menschlichen Organismus. Demzufolge werden nach einem Zeckenbiss eine Immunantwort und die Bildung spezifischer IgE-Antikörper gegen Alpha-Gal ausgelöst. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch andere Insektenstiche oder Parasiten diese Form der Fleischallergie in Gang setzen können.
 
Da Alpha-Gal-Seitenketten in rotem Fleisch (Rind, Schwein, Lamm), Innereien wie Schweinenieren, Bries, Gelatine oder Leber in erhöhtem Maße vorkommen, ist deren Verzehr für sensibilisierte Patienten besonders gefährlich. Auch einige Medikamente enthalten diese Zuckermoleküle (Cetuximab, bovines Thrombin, Aprotinin, Gelatin-kolloidaler Plasmavolumenersatz) und können im Extremfall lebensbedrohliche Folgen haben.
 
Aus immunologischer Sicht außergewöhnlich ist, dass Alpha-Gal als Karbohydrat zu einer Immunreaktion führt. Bisher ging man davon aus, dass einzig und allein Proteine immunogenen Charakter besitzen. Und auch der Sensibilisierungsweg erscheint einzigartig, da nach Lehrmeinung Allergien fast ausschließlich über orale Exposition entstehen.
Zu den bisher bekannten Symptomen zählen geschwollene und extrem juckende Hände, eine geschwollene Zunge sowie dicke Lippen, Quaddeln oder dicke Blasen auf der Haut, schwerste Atemnot und Kreislaufzusammenbrüche. Die Beschwerden treten meist mit einer Latenz von bis zu sechs Stunden auf, da das Alpha-Gal-Molekül erst durch den Verdauungsprozess im Darm freigesetzt wird. Nicht selten kommen die Beschwerden mitten in der Nacht.
 
Fatal ist, dass diese Form der Fleischallergie ganz plötzlich auftreten kann, und das obwohl lange Zeit eine Toleranz gegen diese Nahrungsmittel bestand. Besonders gefährdet sind Patienten, die bereits öfter von Zecken gebissen wurden. Zusätzliche Triggerfaktoren können Sport, bereits vorhandene Infektionen, das Vorliegen einer Mastozytose, Alkohol und Aspirin sein. Augenscheinlich spielt auch die verzehrte Fleischmenge eine gewisse Rolle. Meist sind Betroffene dabei nicht nur auf Fleisch allergisch, sondern auch auf Milcheiweiß und/oder Tierhaare, die serologisch nachweisbar sind, aber oft keine klinische Symptomatik bei entsprechender Exposition zeigen.
 
Mit dem herkömmlichen Pricktest auf der Haut lässt sich diese Form der Fleischallergie nicht nachweisen. Dafür ist ein spezieller Bluttest mit Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen Alpha-Gal erforderlich. Wer unter der Allergie leidet, muss künftig auf den Verzehr von rotem Fleisch verzichten. Weiterhin erlaubt sind Fisch und Geflügel, weil sie kein Alpha-Gal enthalten.
 
 
Zurück