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Infektionserkrankungen durch Zecken - Künftig nicht nur an FSME und Borreliose denken
Dieses Jahr rechnet man in Deutschland mindestens mit einer ähnlich hohen Zeckendichte wie in dem bereits außergewöhnlichen Jahr 2018. Grund dafür, so nimmt man an, sind die immer milderen Winter. Ab einer Temperatur von ca. 8 Grad werden Zecken aktiv, die Durchschnittstemperatur lag dieses Jahr z. B. im März mit 6,6 °C noch einmal deutlich höher als im März 2018 mit 2,5°C. Der Klimawandel führt neben einer verlängerten Aktivitätsphase der Zecken auch zu einem Überleben von neuen Zeckenarten neben dem gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) bei uns, die bisher nur in wärmeren Gefilden wie dem Mittelmeerraum oder Afrika vorkamen, z. B. Hyalomma-Zecke, Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) oder Ixodes inopinatus, und durch Zugvögel den Weg nach Deutschland finden. Die aktuelle Ausweitung der FSME Risikogebiete seit Januar 2019 und die laut Robert-Koch-Institut im Jahr 2018 schon über dreißigmal in Deutschland registrierte Hyalomma, sind symptomatisch für die sich rasch ändernde Situation.
 
Die zu den Spinnentieren gehörenden Zecken sind nach Stechmücken die häufigsten Überträger von Infektionserkrankungen. Dabei reicht das Spektrum von viralen über bakterielle bis zu parasitären Erregern. Weit über den gemeinhin bekannten FSME-Virus als Auslöser der Frühsommer-Meningoencephalitis und die zu den Spirochäten zählenden Borrelienarten mit dem klinischen Bild einer Borreliose (Lyme Arthritis/Neuroborreliose) hinaus können auch tödliche Krankheiten durch Zecken übertragen werden, z. B. Fleckfieber oder Krim-Kongo Fieber durch Hyalomma-Zecken aus Asien und Afrika. In den in Deutschland gefundenen Exemplaren wurden allerdings diese Erreger bisher nicht nachgewiesen. Auch in Deutschland bekannt sind Zecken als mögliche Träger von intrazellulären Bakterien oder Parasiten wie Babesien, Rickettsien, Bartonellen und Ehrlichien. Die assoziierten Erkrankungen nehmen in den letzten Jahren besonders in der Tiermedizin deutlich zu, sind bei Menschen bisher aber selten. Trotzdem sollte die Möglichkeit einer solchen Infektion bei Zeckenstich und unklarer Symptomatik mit in Betracht gezogen und ggf. abgeklärt werden, vor allem bei Pateinten mit immunologischen Grunderkrankungen oder geschwächtem Immunsystem. Diese intrazellulären Erreger haben die Gemeinsamkeit Blutzellen zu befallen, diagnostisch schwer fassbar zu sein und sich klinisch asymptomatisch bis chronisch aktiv zu manifestieren.
 
Babesien: Es sind über 100 Arten bekannt, Überträger ist z. B. die aus Süd- und Osteuropa stammende Auwaldzecke. Bei Babesien handelt es sich um einzellige intrazelluläre Parasiten (Protozoen). Diese befallen bei Wirbeltieren (z. B. Mäusen, Rindern, Schafen, Ziegen, Hunden, Rehen und Menschen) die Erythrozyten und führen zu einer Hämolyse, ähnlich wie bei Malaria. Die Infektionen verlaufen beim Menschen klinisch oft unauffällig, allerdings sind chronische Verläufe möglich. Typische Symptome sind Fieber, Müdigkeit und Muskelschmerzen. Zu beachten ist die Übertragbarkeit durch Bluttransfusionen, eine Behandlung mit Antiparasitika (z. B. Clindamycin/Chinin) ist gegeben.
 
Rickettsia rickettsii: Rickettsien sind gramnegative Bakterien mit ausschließlich intrazellulärem Vermehrungszyklus und Auslöser des Fleckfiebers mit starken Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Erschöpfung, Muskelschmerzen. Sie werden durch Hundezecken und den gemeinen Holzbock übertragen. In den USA sind sie sehr häufig, in bis zu 20 % der Fälle entsteht eine lebensbedrohliche Infektion, wenn nicht frühzeitig mit Antibiotika behandelt wird.
 
Ehrlichien: Ehrlichien vermehren sich in Monozyten/Makrophagen, in Süddeutschland sind bis zu 5 % der Zecken Träger von Ehrlichien. Klinische Symptome der durch Ehrlichia chaffeensis verursachten humanen monozytären Ehrlichiose (HME) sind Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Überträger sind meist Schildzecken, zu denen auch der gemeine Holzbock gehört. Die Seroprävalenz von Anti-HME-Antikörpern in Deutschland liegt bei bis zu 3 % Prozent in der Normalbevölkerung und bis ca. 20 % Prozent bei Risikopersonen. Antibiotika (Doxycyclin oder Tetracyclin) sind bei Infektion Mittel der Wahl.
 
Anaplasmose (Anaplasma phagocytophilum): Anaplasma ist ein intrazelluläres Bakterium, wird durch Schildzecken übertragen, gehört zur gleichen Ordnung wie Rickettsien, infiziert Granulozyten und kann zur Erkrankung der Humanen Granulozytären Anaplasmose (HGA) führen, die ein ähnliches klinisches Bild wie die HME aufweist. Die Mehrzahl der Infektionen verläuft subklinisch.
 
Bartonellen: Bartonellen sind intrazelluläre Bakterien, Bartonella henselae ist Auslöser der Bartonellose (Katzenkratzkrankheit). Der Erreger kann außer durch Zecken auch über Kratzverletzungen von befallenen Haustieren übertragen werden. Die Symptome sind primär und lang anhaltend Lymphknotenschwellungen, daneben ggf. Fieber, Gliederschmerzen, rezidivierende Übelkeit, Leber-/Milz-Schwellungen. Die Infektion verläuft meist harmlos, bei chronischen Verläufen können allerdings Nervensystem, Knochen, Herz oder Lunge befallen werden.
 
Francisella tularensis: Dieses Bakterium kann Tularämie (Hasenpest) auslösen. Charakteristisch sind starke Lymphknotenschwellungen und Hautgeschwüre, betroffen sind oft Waldarbeiter und Förster.
 
Coxiella burnetii: Dieses intrazelluläre, gramnegative Bakterium ist Erreger des Q-Fiebers und konnte ebenfalls in Zecken nachgewiesen werden. Der Erreger kann als Sporenform lange infektiös überleben. Vor allem Schafe sind Träger des Bakteriums. Die Infektion erfolgt in der Regel durch Inhalation des Erregers, kann aber auch durch Zecken (Auwaldzecke) auf Menschen übertragen werden. Die Symptome sind ähnlich wie bei grippalem Infekt, oft verläuft die Infektion asymptomatisch oder unbemerkt mit milder Symptomatik. CAVE: Meldepflichtige Infektion!
 
Neoehrlichia mikurensis: Neoehrlichia ist ein im Jahr 2004 benanntes, obligat intrazelluläres Bakterium, welches Neoehrlichiose auslösen kann. Unspezifische Symptome sind Fieber, Muskel- und Gelenkschmerzen mit Gefäßkomplikationen. Bis zu 10 % der Zecken sind befallen. Der Erreger spricht gut auf Antibiotika (Doxycyclin) an, ist allerdings schwer nachweisbar. Für immunsupprimierte Patienten kann eine lebensbedrohliche Infektion entsehen. Labordiagnostisch ist eine CRP-Erhöhung erkennbar mit Leukozytose, Neurophilie und Anämie.
 
Grundsätzlich verlaufen Infektionen mit diesen Erregern in vielen Fällen klinisch unauffällig oder mild, haben aber das Potential einer Chronifizierung oder schwerer Manifestationen, besonders bei immungeschwächten Patienten (z. B. rheumatoide Patienten, HIV-Infizierte, ältere Menschen, Kinder, Patienten mit Stresserkrankungen).
 
 
Labordiagnostik


Die Diagnostik ist in der Regel schwierig:

 
- Goldstandard der aktiven Infektion ist der Erregernachweis. Da die klassische Mikroskopie im Blutausstrich oder mikrobiologische Anzucht der Erreger sich manchmal schwierig bis unmöglich erweist, haben hier molekularbiologische Verfahren (PCR) klare Präferenz. Allerdings sind die Erreger im Blut nicht in allen Phasen nachweisbar, so dass ein negativer Befund keinen sicheren Ausschluss bedeutet. Ein Erregernachweis kann natürlich ebenfalls in der fraglichen Zecke direkt durchgeführt werden, im positiven Fall ist dies natürlich kein Infektionsnachweis, kann allerdings zu einer sehr gezielten weiteren Diagnostik hinleiten. Im negativen Fall dagegen ist es ein klarer Ausschluss einer Infektion durch diese Zecke.
 
- Diagnostisch verwertbare Antikörpertiter treten erst bis zu 4 Wochen nach Krankheitsbeginn auf und persistieren dann über Jahre. Somit sind Antikörper nur sehr bedingt für die Diagnose einer akuten oder chronisch aktiven Infektion geeignet, allenfalls zur nachträglichen Bestätigung einer stattgefundenen Infektion.
 
- An dieser Stelle kann der Nachweis einer erregerspezifischen T-Zell-Antwort im zellulären Funktionstest (ITT) wertvoll sein. Der Nachweis peripher zirkulierender T-Zellen stellt weit besser als der Antikörpernachweis einen Spiegel der akuten Auseinandersetzung der Immunabwehr mit Erregern dar, zu denen normalerweise kein rezidivierender Kontakt besteht.
 
Als labordiagnostische Optionen zum Screening bei Verdacht auf zeckenübertragene Erkrankungen können deshalb folgende Untersuchungen herangezogen werden:
 
Erregernachweis in der Zecke
PCR basierter Nachweis von
• FSME
• Borrelien (Borrelia burgdorferi / miyamotoi / hermsii / afzelii /garinii /lusitaniae / spielmanii),
• Rickettsie (spp)
• Babesien (microti/divergens)
• Ehrlichien (chafeensis/muris)
• Anaplasma phagocitophylum
 
Achtung kein Infektionsnachweis, ggf. Folgediagnostik aus Blut notwendig
Material: aus der isolierten Zecke
 
ITT Zeckenassoziierte Infektionen
T-Zell-Immunantwort Erregerspezifisch für Borrelien, Babesien, Bartonellen, Ehrlichien
Material: Heparinblut, max. 24 h
 
 
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